Montag, 30. Mai 2016

Lieblingsbuch & Lesehighlight!

Bildquelle: www.dumont-buchverlag.de
Dieses Buch ist mein absolutes Lesehighlight der Frühjahr/Sommer- Novitäten 2016!

Ich bin so begeistert von diesem Buch, dass ich mich am 8. Mai kurzfristig entschlossen habe, nach Köln zu fahren. Genauer gesagt, zum Radiosender 1Live. Sonntags gibt es das „1Live Klubbing“, in der Autorinnen und Autoren zu Gast sind und aus ihren Büchern vorlesen. Und an diesem Sonntag, dem 8.5., war Rasha Khayat zu Gast. Es war sehr kurzweilig & unterhaltsam, Rasha Khayat ist eine sehr kluge und humorvolle junge Frau, die selbst aus einer bi-kulturellen Familie stammt und somit ganz genau weiß, wovon sie spricht.

In Weil wir längst woanders sind erzählt Rasha Khayat über die Geschwister Layla und Basil. Geboren wurden sie in Saudi-Arabien, wo sie auch die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachten. Später zogen sie mit ihren Eltern in das Heimatland ihrer deutschen Mutter. Die beiden Geschwister waren immer eine untrennbare Einheit - später zogen sie sogar während ihrer Studien- und Ausbildungszeit zusammen in eine WG. Doch Layla brach ihre Ausbildung ab und verschwand.

Ihrem Bruder erklärt sie, dass sie nichts in Deutschland hält, dass in Deutschland alles grau für sie geworden ist. Sie reist in das Heimatland ihres Vaters und besucht auch die noch dort lebende Familie. Nach einiger Zeit erhält Basil plötzlich einen Brief seiner Schwester - es ist eine Einladung zu ihrer Hochzeit mit einem Mann, den sie in Saudi-Arabien kennengelernt hat.

Für Basil, der ziellos vor sich hinlebt & in einer schwierigen Beziehung mit seiner Freundin steckt, kommt diese Einladung sehr plötzlich und er weiß nicht, was er von der Entscheidung seiner Schwester halten soll. Trotzdem macht er sich auf den Weg zu seiner Schwester. Er möchte verstehen, warum sie das tut, und hofft auch, sie vielleicht umstimmen zu können. Doch wird die Reise für Basil auch eine Reise in die Vergangenheit und er muss sich mit seinen eigenen Gefühlen und Vorstellungen auseinandersetzen.
Die Mutter der beiden ist schockiert und weigert sich, zur Hochzeit ihrer Tochter zu kommen.

Die Frage, warum eine in Deutschland aufgewachsene junge Frau beschließt, nach Saudi-Arabien zu ziehen und dort zu heiraten zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Was bewegt Layla dazu, was sind ihre Motive, in dieses Land, welches doch auch ihr Heimatland ist, zu gehen, in ein Land, in dem sie plötzlich Kopftuch trägt und das so ganz anders ist, als das Land in dem sie aufgewachsen ist? 


© Anna Maria Thiemann


Doch Rasha Khayat geht es um mehr: dass Saudi-Arabien die zweite Kultur neben der deutschen ist, kann „überlesen“ werden. Theoretisch hätte es auch jede andere Kultur sein können. Es geht Rasha Khayat um das Leben zwischen zwei Welten, das bi-kulturelle Leben, und die Auswirkungen, die so ein Leben mit sich tragen könnte.

Im Grunde genommen fühlte Layla sich in Deutschland nie richtig zuhause. Sie war immer „die Ausländerin“, „die Fremde“, die „so gut deutsch spricht“. Sie muss sich für etwas rechtfertigen, für das sie am allerwenigsten etwas kann - und seit dem 11. September 2001 hat sich dieses Gefühl für Layla nur noch verstärkt.

Diese Deplatziertheit, diese innere Zerrissenheit trieben sie schließlich in ihr Geburtsland zurück. Und die Entscheidung, einen Mann aus Saudi-Arabien zu heiraten, wird immer mehr zur Entscheidung aus Prinzip.
Die Gründe dafür erklärt Layla ihrem Bruder und uns Leserinnen und Lesern - und langsam beginnt man zu verstehen. Ob man es auch akzeptieren kann, diese Frage muss jede Leserin und jeder Leser für sich selbst beantworten.
 

Weil wir längst woanders sind ist ein unglaublicher Debüt-Roman, der einen Sog entfaltet, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Mit einer Leichtigkeit beschreibt Rasha Khayat sehr präzise zwei Kulturen, die verschiedener nicht sein könnten - ohne jegliche Wertigkeit! Beide Kulturen haben ihre Vor- und Nachteile, es wird wohl kaum etwas geben, das vollkommen perfekt ist. 

Hochaktueller denn je, berührt dieser kluge und nachdenkliche Roman und hallt noch lange nach. Was genau ist „Heimat“? Ist es wirklich einfach nur ein Ort - oder vielmehr auch ein Gefühl? 

5 Bücher

P.S.: Rasha Khayats Blog ist auch ein Highlight. Falls Ihr mal Lust habt, mehr über ihr Leben, ihre Gedanken und dergleichen zu erfahren, guckt hier: West-östliche Diva

Bibliographische Angaben:
Rasha Khayat
Weil wir längst woanders sind

Dumont
€ 19,99
9783832198145

Auch als ebook erhältlich. 

Donnerstag, 26. Mai 2016

Der Reiz des Bösen

www.editionatelier.at
Dieses kleine, aber feine Kleinod ist eine wahre Entdeckung eines Indiebook-Verlages!

Der Autor, Martin Thomas Pesl, hat 100 Schurken der Weltliteratur aufgelistet. Absolut subjektiv natürlich! 

In seinem Vorwort erklärt er, was einen Schurken ausmacht und dass dazu selbstverständlich auch Schurkinnen zählen. Für Pesl gab es klare Kriterien, nach denen er seine Liste erstellt hat: nur ein Schurke/eine Schurkin pro Autor oder dass ein Schurke nicht unbedingt einen Mord begehen musste, sondern dass es auch andere Möglichkeiten gibt, böse zu sein. 

Das Buch ist in zwölf Kapitel unterteilt, die die verschiedenen Eigenschaften eines Schurken beschreiben. Da gibt es zum Beispiel „Die Gierigen“, zu denen die Grauen Herren aus Michael Endes Momo zählen. Schir Khan aus Das Dschungelbuch unterdessen zählt ebenso wie Moby Dick zu den „Rachsüchtigen“. 
Die Kategorie „Die Erziehungsberechtigten“ umfasst grundsätzlich alle Stiefmütter aus den Grimm’schen Märchen aber auch, als aktuelles Beispiel, Dolores Umbridge aus Harry Potter und der Orden des Phoenix. Natürlich wissen alle Kenner, dass es einen noch viel fieseren und gefährlicheren Bösewicht im Potter-Universum gibt - eben den, dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf. Trotzdem entschied sich Pesl für die pinke Katzenliebhaberin. Seine Gründe werden aber ausreichend und zufriedenstellend erklärt. 
„Die Psychopathen“ dürfen selbstverständlich auch nicht fehlen, zu ihnen gehören als Highlights u.a. Hannibal Lecter aus Thomas Harris‘ Roter Drache und Jean-Baptiste Grenouille aus Das Parfum von Patrick Süskind. Aber auch Stephen King ist mit Sie vertreten, ebenso Bret Easton Ellis mit seinem großartigen Werk American Psycho

Martin Thomas Pesl sieht sein Buch als eine Art Lexikon, man muss es nicht in einem Rutsch lesen. Man kann sich morgens zum Frühstück mit dem einen Bösewicht verabreden, und abends mit einem anderen. Viel Spaß beim Wiedererkennen und Neu-Entdecken!

4,5 Bücher


Bibliographische Angaben:
Martin Thomas Pesl
Das Buch der Schurken - Die 100 genialsten Bösewichte der Weltliteratur

Mit Schwarz-Weiß-Illustrationen von Kristof Kepler
edition atelier
€ 19,50
9783903005150

Auch als Hörbuch und ebook erhältlich.